Hand aufs Herz, wann haben Sie das letzte Mal begeistert mit Ihren Geschäftspartnern über Stammdatenmanagement diskutiert? Noch nie? Ich bin sicher, dass Sie damit nicht alleine sind. Es könnte daran liegen, dass das Thema nicht halb so viel Sex-Appeal verströmt wie IOT, AI, Big Data oder Deep Learning, über die wir alle gerne, mit gefährlichem Halbwissen, an den Stehtischen dieser Republik bei Lachshäppchen und einem Glas Sekt diskutieren.
O.k., das war jetzt vielleicht ein wenig provokant, beschreibt aber ein weit verbreitetes Phänomen. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Infosys Consulting sind 71% der Befragten der Meinung, dass die Digitalisierung der Lieferkette in den nächsten Jahren das wichtigste Thema ist. Aber nur 24% sind davon überzeugt innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre über komplett digitale Lieferketten zu verfügen. Da tut sich also eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf.
Viele Unternehmen kommen bei der Digitalisierung nur in Trippelschritten voran. Aus meiner Sicht ist einer der Hauptgründe die unzureichende Datenqualität in den eigenen Systemen. Woran das liegt? Ein Erklärungsversuch …
Unternehmen scheuen Kosten zur Bereinigung vorhandener Daten
Bevor man die Vorteile einer digitalen, automatisierten Supply Chain nutzen kann, müssen alle Daten und Prozesse innerhalb der Systeme in ausreichender Qualität vorliegen. Gerade im Mittelstand gibt es viele Unternehmen, die hier massiven Nachholbedarf haben und auf einen großen Berg schlechter Daten blicken. Da wird Big Data schnell zu Big Bullshit! Die initiale Bereinigung und Ertüchtigung der eigenen Systeme kostet erst einmal Zeit und Geld, welches man sich gerne sparen möchte.
Stammdaten werden nicht funktionsübergreifend betrachtet
Häufig fehlt eine unternehmensweit einheitliche Strategie, um die Qualität von Stammdaten nachhaltig zu gewährleisten. Stattdessen werden Stammdaten mit der „Silo-Brille“ betrachtet.
Jeder Funktionsbereich versucht mit minimalem Aufwand nur die Informationen bereitzustellen, die für die Bearbeitung des eigenen Prozessschrittes erforderlich sind. Weitere Informationen, die für spätere Prozessschritte entscheidend sind, werden mit Blick auf die Optimierung der eigenen Ressourcen nicht gepflegt, nur um dann später mit großem Aufwand von nachgelagerten Prozessteilnehmern zusammengetragen zu werden.
Es fehlen einheitliche Regeln zur Pflege von Stammdaten
Um effektiv zu sein, benötigt jedes Stammdatenmanagement als Grundlage eine unternehmensweite Governance und Steuerungsmechanismen, die deren Einhaltung sicherstellen. Die Realität zeigt leider, dass es nach wie vor in vielen Unternehmen keine klare Festlegung gibt, wer Stammdaten anlegt, wer sie validiert, freigibt oder ändert.
Ohne klar definierte Verantwortlichkeiten für die Stammdatenverwaltung innerhalb der operativen Prozesskette hängt die Datenqualität jedoch immer vom Goodwill des einzelnen Mitarbeiters ab und ist folglich beliebig. Eine verlässliche Automatisierung von Transaktionsprozessen ist auf dieser Basis schlicht nicht möglich.
Die Pflege von Stammdaten ist zu aufwändig
Fazit
Qualitativ hochwertige Stammdaten sind das Rückgrat der Digitalisierung. Ihnen mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen zu widmen ist eine gute Investition in die Zukunft. Die Qualität der eigenen Daten entscheidet letztendlich darüber, ob die angestrebte Digitalisierung der Supply Chain gelingen kann und sich damit einhergehende Vorteile wirklich einstellen.
Die Gründe für schlechte Stammdaten sind vielfältig, in den meisten Unternehmen aber bekannt. Mittel und Wege mit ihnen umzugehen wären ebenfalls vorhanden und werden doch leider häufig nicht konsequent umgesetzt.
Ich bin davon überzeugt, dass die Unternehmen, die ihre Stammdaten auch weiterhin stiefmütterlich behandeln, früher oder später vom Wettbewerb gnadenlos abgehängt werden, da eine digitale Supply Chain immense Kosten- und Agilitäsvorteile mit sich bringt, die Kunden schon bald als selbstverständlich voraussetzen werden.