Der strategische Einkauf hat sich in den meisten Unternehmen für fast alle Warengruppen erfolgreich etabliert und trägt maßgeblich zum Unternehmenserfolg bei. Dabei hat er bewiesen, dass er über sehr effektive Methoden zur Kostensenkung verfügt und diese gewinnbringend für das gesamte Unternehmen einsetzen kann.
Und trotzdem gibt es in vielen Firmen auch heute noch keinen strategischen Frachteinkauf. Woran liegt das, und wie kann der Aufbau eines strategischen Frachteinkaufs gelingen?
Sehen wir uns zuerst einige Gründe dafür an, dass der Einkauf bisher nicht aktiv in die Transportbeschaffung eingebunden ist.
Einkauf ist operativ nicht zuständig
Legt man für die Struktur des strategischen Einkaufs in erster Linie die bestellten Materialien und Dienstleistungen zugrunde, fallen Transporte schnell durchs Raster. Transportdienstleister werden direkt von der Disposition der Werke beauftragt und Frachtrechnungen anschließend ebenfalls in der Logistik geprüft.
Mit Transporten verhält es sich also wie z.B. mit Kosten für Berater oder Versicherungen. Sie fliegen im ersten Zug unterm Radar und spielen beim Aufbau eines strategischen Einkaufs häufig keine Rolle.
Unterschiedliche Ressorts in der Geschäftsführung
Der Transporteinkauf als Teil der operativen Logistik ist häufig beim Geschäftsführer für Produktion angesiedelt. Dem gegenüber wird der strategische Einkauf in vielen Fällen durch den CFO verantwortet. Wenn Sie jetzt denken: „so what?“, dann können Sie sich entweder glücklich schätzen, weil sich Ihre Geschäftsführung als echtes Team versteht, oder Sie haben noch nie erlebt, wie viele Befindlichkeiten es auslösen kann, wenn der Einkauf das gesamte Einkaufsvolumen gestalten möchten.
Im Wissen um die Innenpolitik, wird der Transporteinkauf in der Prioritätenliste oft weit nach hinten geschoben.
Kein fachliches Know-how im Einkauf
Wer Transporte einkaufen will, der muss die Grundlagen der Transportlogistik verstehen. Wie bereits ausgeführt, ist der Einkauf jedoch meist nicht operativ zuständig. Es fehlen also die Berührungspunkte mit dem Thema und der Aufbau von Know-how stellt sich nicht automatisch ein.
Die Liste lässt sich sicher noch vervollständigen um z.B. gewachsene Strukturen, dezentrale Organisationsform, etc. Die Gründe sind also vielfältig und in den meisten Fällen historisch bedingt.
Wie kann es bei diesen Voraussetzungen gelingen, einen strategischen Frachteinkauf zu etablieren?
Bereichern nicht konkurrieren
Wenn sich der Einkauf auf bisher unbekanntes Terrain begibt, führt das schnell zu Befindlichkeiten. Gehen Sie also nicht auf die operative Logistik zu und sagen: „So Leute, ab jetzt vereinbaren wir die Frachtpreise und legen die Dienstleister fest“. Was Sie damit wirklich sagen: „Ihr kauft hier eh zu teuer ein, lasst mal die Profis ran.“ Das ist der sicherste Weg, den strategischen Frachteinkauf zu versenken, bevor er überhaupt gestartet ist.
Stellen Sie stattdessen heraus, was Sie als Einkauf anzubieten haben und wie Sie die Kollegen in der Logistik damit unterstützen können. Als strategische Einkäufer bringen Sie Methodenwissen im Bereich Lieferantenrecherche, Ausschreibungsmanagement, Kommunikation, Verhandlungen und Vertragswesen mit. Sie verfügen über gute analytische Fähigkeiten, die bei der Auswertung von Angeboten benötigt werden. Die Erstellung von Spezifikationen und Service Level Agreements ist Ihr täglich Brot.
Es geht also darum aufzuzeigen, dass der heutige Frachteinkauf positiv weiterentwickelt werden kann, wenn man die Kräfte bündelt.
Fachliches Know-how aufbauen
Der Einkauf wird von der operativen Logistik nur akzeptiert werden, wenn er ein Mindestmaß an fachlicher Kompetenz im Bereich der Transportlogistik aufbaut. Hierzu bieten sich vor allem die eigenen Kollegen in der operativen Logistik an.
Verbringen Sie als Einkäufer ein paar Tage im Versand und arbeiten Sie dort mit. So lernen Sie nicht nur die alltäglichen Herausforderungen der Kollegen aus erster Hand kennen, sondern bauen auch Vertrauen und ein Netzwerk auf. Stellen Sie Fragen und hören Sie vor allem gut zu. Stellen Sie nicht gleich alles in Frage sondern lernen Sie erst einmal die Ist-Situation gut kennen. Aus dem Fenster lehnen können Sie sich später immer noch.
Was sich ebenfalls anbietet ist ein gemeinsamer Besuch von Dienstleistern. Schauen Sie doch mal mit Ihren Kollegen aus der Logistik abends beim Umschlaglager Ihres heutigen Dienstleisters vorbei und erleben Sie live, wie Ihre Ware dort auf die wartenden Linien verteilt wird. Wer das „Stapler-Ballett“ einmal gesehen hat, versteht sehr schnell, dass ein Netzwerk top organisiert sein muss, um große Mengen Stückgut termingerecht zuzustellen.
Aufgabenverteilung vereinbaren
Bevor Sie loslegen, muss Einigkeit darüber bestehen, wie Einkauf und operative Logistik in Zukunft zusammenarbeiten werden. Dabei sollte man sich nicht an formellen Zuständigkeiten festbeißen, sondern sicherstellen, dass alle Beteiligten ihre Stärken einbringen können.
Besonders wichtig ist dabei die Kommunikation mit den Dienstleistern. Wer spricht wann mit wem über was? Stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen professionell nach außen auftritt und nicht wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen.
Logistische Anforderungen abstimmen
An die operative Logistik werden traditionell sehr hohe Erwartungen gestellt. Es wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die eigenen Produkte pünktlich und unversehrt beim Kunden angeliefert werden. Dass es dabei um viele Details in der Zusammenarbeit mit den Transportdienstleistern geht, wird außerhalb der Logistik nur selten wahrgenommen. Genau diese Details müssen Sie als Frachteinkäufer aber kennen, weil sie in vielen Fällen für Dienstleister kalkulationsrelevant sind.
Klären Sie also im Vorfeld ab, welche operativen Anforderungen bestehen, arbeiten Sie diese strukturiert auf und kommunizieren Sie sie an potenzielle Dienstleister. So bekommen Sie relevantere Angebote, die einer späteren Überprüfung auch standhalten.
Gemeinsam neue Wege in der Beschaffung gehen
Jetzt kann es also losgehen. Definieren Sie gemeinsam einen Fahrplan für die nächsten Monate. So weiß jeder im Team, welche Transportdienstleistungen wann am Markt ausgeschrieben werden sollen. Dabei sollten Sie klein starten, um gemeinsam erste Erfahrungen zu sammeln und die Zusammenarbeit einzuüben. Auf dieser Grundlage können Sie den Umfang und die Komplexität Ihrer Aktivitäten schrittweise steigern, bis schließlich der gesamte Spend strategisch optimiert wird.
Bewährt hat sich auch die Einführung einer „Regelkommunikation“. Treffen Sie sich im Team regelmäßig und stimmen Sie sich zu aktuellen Themen ab. So bekommen Sie schnell mit, ob es Probleme mit Dienstleistern gibt und können frühzeitig reagieren.
Und denken Sie daran, gemeinsame Erfolge auch gemeinsam zu feiern!